Der aus Köln (im DSGVO-Land Deutschland) stammende Übersetzungsdienst deepl will Google Translate Konkurrenz machen. Das Besondere daran: man kann Word- und PowerPoint-Dokumente auf die DeepL-Seite hochladen und erhält die Übersetzung im gleichen Format retour. deepl bietet online einen Basisdienst, der auf 5.000 Zeichen begrenzt ist. Die so übersetzten Dokumente haben einen Schreibschutz und müssen kopiert und in ein neues Dokument geladen werden, damit man sie weiterbearbeiten kann.
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Darüber hinaus existiert eine Pro-Version ohne die genannten Einschränkungen. Diese steht zahlenden Kunden auch als (Offline-)App zur Verfügung. Als weiteres Plus steht hier ein API-Zugang (JSON-basiert; REST-API) zu Buche, den man in die eigenen Produkte und Plattformen integrieren kann, etwa um internationale Kundenanfragen automatisch übersetzen zu lassen. deepl bietet aktuell Übersetzungen innerhalb der Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Polnisch und Spanisch. Für die Zukunft kündigt das Unternehmen weitere Features an.
Die ersten Rezensionen zu deepl fielen recht positiv aus. Das Swisscom-Magazin etwa sieht deepl weniger fehleranfällig als die Dienste von Google und Microsoft. Im Forum zum Beitrag auf heise.de werden allerdings auch Schwachstellen angezeigt. So monierte ein User, dass das Tool "regelmäßig ganze Wörter 'vergisst' und damit die Semantik der Aussage verdreht oder ganz auslöscht." Dass ein von Algorithmen übersetztes Dokument immer noch den Menschen als Korrektor benötigt, wird sich wohl so bald nicht ändern.
Übersetzungsqualität von deepl und Google Translate im Vergleich
medienleiter hat selbst Tests mit der Basisversion von deepl durchgeführt. Und zwar von Deutsch auf Englisch und von Deutsch auf Spanisch. (Den Ausgangstext mitsamt den Übersetzungen der beiden Diensten finden Sie für Deutsch wie für Spanisch am Ende dieses Beitrags verlinkt.) Grundlage waren dafür die ersten Absätze des letzten Blogbeitrags Von der Online Research Journey zur Customer Journey. Um es vorweg zu nehmen: deepl und Google Translate erwiesen sich in punkto Übersetzungsqualität als recht ähnlich. Kleinere Details fielen dennoch auf: gegenüber dem Dienst aus dem kalifornischen Mountain View erkennt deepl Eigennamen wie medienleiter durchaus als solche und belässt sie korrekt im Original, während Google einfach wild drauflos übersetzt und aus medienleiter "media managers" macht (gut, das hat der Verfasser dieser Zeilen zwar mal studiert, aber eine Marke bleibt trotzdem eine Marke...).
Umgekehrt tat sich deepl schwer bei der Semantik des Satzes "Die Customer Journey zu Produkten sollten Marketer genau kennen, damit sie ihre Arbeit möglichst effizient gestalten können." Während Google sinnstiftend richtig überträgt, wer hier was kennen sollte ("The customer journey to products should be well known to marketers so they can do their job as efficiently as possible"), bekommt man vom deutschen Dienst nur ein Kauderwelsch serviert: "The customer journey to products should know marketers exactly so that they can make their work as efficient as possible." (Nein, nicht die Customer Journeys sollen ihre Marketer kennen, sondern umgekehrt müssen die Marketer die Customer Journeys ihrer Produkte kennen!)
Im Spanischen sind ähnliche Muster erkennbar. Besagter Satz wird von Google semantisch richtig übertragen ("El viaje del cliente a los productos debe conocer a los vendedores exactamente para que puedan hacer su trabajo lo más eficiente posible"), während deepl auch hier ein eindeutig falsches Ergebnis liefert: "El viaje del cliente a los productos debe conocer a los vendedores exactamente para que puedan hacer su trabajo lo más eficiente posible."
In punkto sprachlicher Eleganz geht die Tendenz bisweilen eher in Richtung deepl. Für den Satz "medienleiter setzt bei Kundenprojekten die Instrumente Customer Journey und Buyer Personas standardmäßig ein, weil sie sich sehr bewähren!" bekommt man bei Google Translate, mal abgesehen vom. nicht erkannten Eigennamen, Folgendes serviert: "media managers uses the customer journey and buyer personas tools as standard in customer projects because they are very successful!" Bei deepl klingt der Satz irgendwie besser, wenn auch nicht 100% pperfekt: "medienleiter uses the instruments Customer Journey and Buyer Personas as standard for customer projects, because they prove themselves very well!" Ob das Kriterium sprachliche Eleganz bei automatisierten Diensten zählt oder nur semantische Korrektheit, ist freilich eine Frage des Zwecks und individuelle Auslegungssache. Einen von einem Übersetzungsdienst übertragenen Beitrag würde ich persönlich ohnedies nicht der New York Times oder El País anbieten wollen, egal wie er arbeitet...
Auch bei den Übersetzungen auf Spanisch schlägt das Pendel mal in die eine, mal in die andere Richtung aus. Das medienleiter-Fazit zur Übersetzungsqualität von deepl und Googl Translate sieht so aus, dass sich die Dienste nicht so gravierend unterscheiden. (Bilden Sie sich anhand der verlinkten Dokumente aber gerne selbst Ihr Urteil.)
Als Gesamtnote für deepl schlägt medienleiter die österreichische Schulnote Befriedigend (3) vor (das Notenspektrum reicht von 1-5, wobei 1 die beste und 5 die schlechteste Beurteilung darstellt.).
DSGVO & Datenschutz
Eine nicht weniger spannende Frage ist die nach dem Datenschutz, nach Serverstandorten etc. Hier darf deepl - und dabei wohl v.a. der Pro-Dienst - auf einen Vertrauensvorsprung bei europäischen Usern hoffen, wenn man an die Aufregungen rund um diverse Google-Services im Zshg. mit der im Mai in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) denkt. In den FAQ heißt es bei deepl: "Als Unternehmen mit Sitz in Deutschland halten wir uns bei allen unseren Aktivitäten an die Datenschutzbestimmungen der Europäischen Union."
Bei DeepL Pro ist der Datenschutz noch weitergefasst: "Wir garantieren allen DeepL Pro-Abonnenten, dass wir niemals die Texte speichern, die sie übersetzen." [sic!] (ibid.)
Interessant erscheint mir an dieser Stelle nun die Frage, wo genau die Unterschiede im Datenschutz zwischen der Basisversion und dem Bezahlservice liegen. Das wird leider nicht genauer ausgeführt. Aus diesem Grund habe ich via Twitter gestern (30.07.2018) nachgefragt, das Unternehmen hat bislang aber noch nicht reagiert. Sobald eine Antwort kommt, werde ich sie in diesem Beitrag einarbeiten.
Worauf achtet medienleiter bei Übersetzungsdiensten?
1. Individuelle Bewertung: Zielsprache ist nicht gleich Zielsprache: Die Tatsache, dass ein Dienst bei Übersetzungen auf Englisch passable Ergebnisse liefert, bedeutet nicht automatisch, dass er auch für Italienisch, Tschechisch oder Russisch gut funktioniert. Bei Sprachen, die man selbst gut beherrscht, kann man sich gut selbst ein Bild machen. Bei anderen Sprachen empfiehlt sich etwas Recherche. Auch Übersetzungsdienste werden im Netz bewertet... (so als Tipp)
2. Verständlichkeit kommt vor sprachlicher Eleganz: Übersetzungsdienste sind sprachliches Fast Food, keine Feinschmeckerkost! Sie müssen korrekt arbeiten, nicht schön. Dass sich Sätze holprig anhören, ist noch kein Ausschlussgrund, wenn die Semantik passt. Im umgekehrten Fall helfen sie einem nichts.
3. Mehrere Dienste gleichzeitig nutzen: Warum auf einen Dienst schwören, wenn mehrere gleichzeitig für einen arbeiten können? So wie beim Test in diesem Beitrag kann man hergehen und für jeden Absatz (oder auch Satz) die Übersetzungen vergleichen und die semantisch beste Version auswählen, die man dann ins Gesamtdokument einfügen. Das setzt voraus, dass man die Qualität der Übersetzung selbst bewerten kann. Natürlich ist das nicht so bequem und braucht etwas Zeit, aber wenn man auf Nummer sichergehen will, ist das in jedem Fall eine bewährte Methode. Und schneller als alles selbst zu übersetzen, ist es meist auch. ;-)
4. Vertrauen vs. Misstrauen in den Datenschutz: Ich persönlich bin sehr vorsichtig, welche Informationen ich in Online-Masken copy-paste, bei amerikanischen Diensten gleichermaßen wie bei europäischen - Datenschutzregelungen und DSGVO hin oder her, auch wenn klare und rechtlich verbindliche Standards natürlich sehr wünschenswert sind. Vertragsentwürfe & Co mit Details haben nach meinem Dafürhalten in einem Übersetzungstool nichts verloren. Allenfalls halte ich es für denkbar, aufgeteilt auf mehrere Einzelportionen, Texte übersetzen zu lassen - allerdings erst nach der Entfernung sämtlicher sensibler Daten!
Bild: Photo by Dmitry Ratushny on Unsplash
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